Die - Werbekampagne.
Mit der Markteinführung des VW Santana ab Januar 1982 wurde eine Reihe von doppelseitigen Anzeigen in überregionalen Autozeitungen geschaltet, z.B. in "Auto, Motor und Sport", der "auto zeitung", aber auch in nicht-fachbezogenen Magazinen wie "Stern" oder "Spiegel".

Es handelte sich um eine Serie von 15 verschiedenen Anzeigen, die nacheinander und mit zeitlichem Abstand bis zum Sommer 1983 geschaltet wurden., sowie eine Anzeige für das Santana-LX-Sondermodell mit 90PS-Motor. Darüber hinaus gab es drei der Motive auch als deutschlandweit geschaltete Plakate, wobei stets der Claim "Der große Santana. Entspannt ankommen." verwendet wurde.
Das Schema der Anzeigen ist dabei immer das gleiche:

Der Santana, bis auf wenige Ausnahmen rot oder dunkelblau und bis auf zwei Anzeigen das Topmodell GL5 oder GX5, steht prominent in Bildmitte, daneben sein(e) Fahrer, dicht umringt von einer Schar Bewunderer bzw. Interessenten, die für das Foto posieren. Das Ganze vor einer mehr oder weniger exotischen, immer jedoch "Fernreise" bzw. "Reiselimousine" suggerierenden Hintergrund. Der Santana ist dabei immer (!) von vorne fotografiert.

Die Headline verbindet, bis auf zwei Anzeigen, in der Bundesrepublik Deutschland liegende Großstädte gedanklich mit einem für den Großteil der Betrachter interessanten Fernreiseziel, gefolgt von einer positiven Aussage über die Fähigkeiten des Santana als Reiselimousine: Entspannung während der Fahrt, Erholung, kein Reisestreß.

Ein kurzer Überblick über die verschiedenen Motive und erwähnte Fernreisestrecken:

Im Fließtext unter der Headline wird der Leser mit Zitaten über das Urteil der Fachpresse informiert, bevor auf moderne technische Eigenschaften, die großzügige und komfortable Ausstattung, den für damalige Verhältnisse gegenüber den Wettbewerbern günstigen Kraftstoffverbrauch (der auch explizit beispielhaft aufgeführt wird) und nochmals auf die entspannende Qualität des Gesamtkonzeptes eingegangen wird.

Abgeschlossen wird der Fließtext ebenfalls mit dem Claim "Der große Santana. Entspannt ankommen." sowie dem damals obligatorischen V.A.G-Logo und dem Volkswagen Logo.

Im folgenden ein etwas detaillierterer Blick auf einige besonders interessante Anzeigen.

Die erste Anzeige für den neuen Santana:
"Gespannt einsteigen. Entspannt ankommen."
Ein dunkelgrüner Santana CL der Vorserie (einzelne Details stimmen noch nicht mit der Serie überein) vor einem Hotelportal. Links am Auto die Eltern mit zwei Kindern und Hund, rechts am Heck, neben dem obligatorischen Satz Hartschalenkoffer, das sich andächtig versammelnde Hotelpersonal, wobei die Zimmermädchen klischeehaft und vermutlich in dieser Ausschließlichkeit heutzutage politisch nicht besonders korrekt von Afroamerikanerinnen dargestellt werden.

Man wird bei diesem Foto vielleicht an Familie Griswold, "Die schrillen Vier auf Achse", erinnert, auch wenn der Santana natürlich nicht im Mindesten dem im Film verwendeten "Family Truckster" entspricht. Bei dem blondbelockten Kellner rechts im Bild könnte man spontan an Pierre Richard in "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh" denken, auch wenn die Schuhe des Kellners hinter dem Wagen verdeckt sind...

- Eine Anzeige, die die "deutsche Familie" anspricht und auf den Santana als Auto für den hier durchaus gediegenen Urlaub hinweist.

Nächster Halt: Istanbul.
Der Santana ist das Gegenteil: Leise, geräumig, komfortabel.
Ein roter Santana GL5 vor einem "typisch türkischen" Hotel, hinter der Motorhaube das sichtlich stolze Besitzerpaar (keine Kinder; besonders seine Frisur atmet Zeitgeist und würde heute wohl strafrechtlich verfolgt werden), um das Auto herum versammeln sich Figuren, die so ziemlich jedem Klischee gerecht werden, das im Deutschland der frühen Achtziger über Türken bzw. die Türkei greifbar war:

Neben dem sympathisch-schlitzohrigen Teppich- und Andenkenverkäufer (die Messingvase dürfte wohl selbst den 535-Liter-Kofferraum des Santana überfordern!) und seinem Sohn (?) lächeln schüchtern (und selbstverständlich schwarz verschleiert!) Mutter und Tochter aus der Tür, direkt neben dem Ehepaar der "lustige Onkel", der mit seiner Gitarre offenbar die Unterhaltungskompetenz des Hotels verkörpern soll, darauf folgend weitere Männer, die in loser Reihenfolge ein Verwandter des Hotelchefs, ein Page (die Mütze...!), im Anzug entweder der Chef des Hotels oder der örtliche Boss der organisierten Kriminalität (oder mit Sonnenbrille beides in Personalunion?) und (in abgerissenen Klamotten) halbverdeckt der Mann für´s Grobe sein dürften. Rechts außen sitzt die Großmutter des Hauses und liest Zeitung...

- Diese Werbung richtet sich weniger an Familien als an Paare mit Hang zur Fernreise und einer gewissen Nonchalance, denn das der Überschrift zufolge so unbequeme Hotel wird durch die beiden offenbar als landestypisch abgehakt und als "Erlebnis" eingestuft. - Diese Anzeige könnte man heute vermutlich nicht mehr veröffentlichen, ohne sich den verständlichen Unmut in Deutschland lebender Türken und deren Nachkommen zuzuziehen.

Köln - Elsaß.
Gourmet Reise mit Santana: "Ein einziger Genuß."
Der dunkelblaue VW Santana in einer kleinen, von Fachwerkhäusern bestandenen Gasse im Elsaß. Vier Anzug, Hemd und Krawatte tragende Herren sind gerade dem Wagen entstiegen, wenden sich bereits dem ersehnten Gourmettempel (ein natürlich winzigkleines, typisch französisch-romantisches Restaurant im Hintergrund) zu und beobachten amüsiert die den Santana bewundernden Blicke des straßefegenden Rentners und des (an Weste und Fliege erkennbaren) Kellners.

Fast läßt sich eine Geschichte zu diesem Bild erkennen: Man glaubt erahnen zu können, wer Chef und wer sein Nachfolger ist, wer mit wessen Frau fremdgeht, wer den kürzeren bei der Nachfolgefrage gezogen hat und deshalb wohl bald das Unternehmen verlassen wird...

- Bei dieser Anzeige geht es natürlich nicht vorrangig an die Ansprache von potentiell Santana-kaufenden Gourmets, sondern darum, die Qualitäten des Santana als Geschäftsfahrzeug herauszustellen. So wird im Fließtext auch wieder verstärkt auf den Komfort (der ist "Drei Sterne wert") und die reichhaltige Ausstattung hingewiesen und mit dem Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit des Wagens abgeschlossen.

.Diese Anzeige wurde später, nach der Einführung des Santana CX (vgl. unten), noch einmal in einer retuschierten Version geschaltet, bei der aus dem Santana GX des originalen Fotos mit anderen Felgen und überdeckten Chromleisten ein Santana CX gemacht wurde.

Innerdeutsche Reise.
Kosten zählen: "Der Santana für 17.695 Mark."
Ein dunkelblauer, an der chromschmucklosen Seite auffallend unterbelichteter Santana CX mit Stahlfelgen posiert zusammen mit der glücklichen Familie und einem traditionell gekleideten und von seinem Hund begleiteten Schäfer für die Kamera.

Als diese Anzeige zur Einführung des nachgeschobenen Santana CX im Sommer 1983 geschaltet wurde, reagierte man in Wolfsburg auf die landläufige Meinung, der Santana sei ein verhältnismäßig teures Auto.

(Die ADAC-Motorwelt beispielsweise war in einem recht tendenziösen Artikel Anfang 1982 der Meinung, beim Santana sei der Mehrpreis gegenüber dem Passat nicht gerechtfertigt, weil beide Fahrzeuge in großen Teilen über identische Technik und Karosserien verfügten. Der Mehrwert an Ausstattung, den speziell ein Santana GL/GX gegenüber einem Passat GL besaß, wurde hier kaum berücksichtigt. Derartige Äußerungen in einem von im Rahmen der Mitgliedschaft von Millionen potenziellen Käufern gelesenen Magazin können den Ruf eines Fahrzeugs natürlich in kurzer Zeit negativ zementieren.)

Folgerichtig wird in der Anzeige für den Santana CX neben der bereits bekannten Erwähnung von Erholung, Entspannung und Komfort der günstige Einstiegspreis betont. (Gegenüber dem bisher angebotenen Einstiegsmodell LX mit 75PS war ein CX mit dem neuen kleinsten Motor mit 60PS um fast 10% günstiger.) Im Fließtext ist neben der Hervorhebung des komfortablen Gesamtkonzeptes (um Ausstattungsdetails geht es beim CX weniger) wieder die Rede vom günstigen Benzinverbrauch.

- Als diese Anzeige geschaltet wurde, versuchte man, mit der Einführung des 60PS-CX die Santana-Reihe "nach unten hin" attraktiver zu machen. Auch von exklusiven und kostenintensiven Fernreisen keine Spur mehr, der Familien-Santana mit Düsseldorfer Kennzeichen fährt in eine deutsche Heidelandschaft. So sehr auch aus Sicht der erreichten Marktanteile dieser Schritt sinnfällig scheint, so stellt man sich doch vor dem Hintergrund dieser Anzeige die Frage, ob mit der Einführung des CX und der dazu passenden Werbung der "große VW", der mehr als jeder andere vor ihm auf Komfort und Luxus gesetzt hatte, nicht auch teilweise entwertet wurde - immerhin ein Schritt, der mit der Degradierung des Santana zum Passat Stufenheck im Januar 1985 bis in die letzte Konsequenz umgesetzt wurde.

Exkurs:
Der Santana lief ... Fantastisch.
Ein roter Santana GL5 im Yachthafen, das braun-orange gekleidete Besitzerpaar im Gespräch mit den natürlich weit vorne durch´s Ziel gegangenen Regattateilnehmern, umringt von weiteren Seglern und in Arbeitskleidung aufgetretenen Fischern, letztere scheinen die Front des Wagens zu diskutieren.

- Die im Frühjahr 1982 erschienene Anzeige weist einmal mehr auf die Fernreisequalität des Wagens hin.

Besonders interessant ist aber folgende Zuschrift:

Ralph B. studierte 1982 in Kiel, und durch Zufall geriet er in das Fotoshooting zum Santana und wurde auf dem Bild mit verewigt. Im Folgenden sein kurzer Abriß über das für ihn auch geographisch (er lebt heute in Australien) weit zurückliegende Erlebnis:

"Das Foto ist am Ende eines Ruderkurses an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel entstanden.

Ich habe damals Sport studiert und war gerade mit Kommilitonen vom Kurs zurück zur Bootshalle, als wir von den Fotographen angesprochen wurden. Mein Freund Benno und ich waren aber eigentlich auf dem Weg zum Ruderkurs, der gleich im Anschluss statt fand. Somit hatten wir keine Zeit und lehnten das Angebot, schnell mal 50 DM zu verdienen ab: „80DM – 100DM – 150DM“ bei der Summe bekam ich einen Stoss von Benno in die Rippen und wir standen geraume Zeit hinter dem Auto. Deshalb gucke ich auch schon etwas säuerlich, denn wir waren inzwischen hoffungslos zu spät fuer den Ruderkurs. Das Geld habe ich gleich in ein neues Surfsegel investiert – und der Ruderkursleiter hatte dafür dann doch Verständnis...

Was aus den Kommilitonen auf dem Bild geworden ist, weiß ich nicht. Ist ja auch schon lange her und wir sind inzwischen in alle Himmelsrichtungen verschlagen worden…

Über den Namen der Agentur weiß ich dementsprechend auch nichts, außer, dass es den Leuten gut gegangen sein muss, da sie sich kurzerhand auf die Kühlerhaube ihres dicken Mercedes stellen, um die Fotos zu schießen (das hat mich wohl am meisten beeindruckt)…"

- vielen Dank an Ralph B. für diese Schilderung der Aufnahmen!

Ein Fazit zur Printkampagne: Das vorwiegende Thema ist der entpannende und gelassen machende Komfort des neuen VW, der wieder und wieder in seiner Eigenschaft als "Reiselimousine" mit teils exotischen Zielen hervorgehoben wird. Es handelt sich nicht um eine emotionale Kampagne; neben den aus heutiger Sicht teilweise durch die Verwendung offensichtlicher Klischees zwar lustigen, damals aber größtenteils ernst gemeinten Bildmotiven wird hauptsächlich auf die Überzeugungskraft der im Fließtext verpackten Fakten gesetzt - ein Vorgehen, das mit der gleich doppelten Nennung des Einstiegspreises in der "CX"-Anzeige auf die Spitze getrieben wird.

Im Nachhinein fällt eine Kritik zwar immer leicht, dennoch stellt sich die Frage, ob die bei der Vorstellung des Santana auf der IAA 1981 kommunizierte Aussage "VW stößt mit dem Santana in die obere Mittelklasse vor" mit einer etwas anderen Kampagne nicht besser hätte verdeutlicht werden können.

Vorstellbar gewesen wäre etwa Werbung, die den Santana als ernstzunehmendes neues Mitglied dieser Fahrzeugkategorie darstellt und z.B. den für damalige Verhältnisse wirklich hochwertigen Innenraum, die sachlich-elegante Linienführung (auf keinem der Motive wird das prägnante Heck gezeigt!) und andere in der angepeilten Klasse, auch für statusbewußte Käufer, relevante Elemente stärker hervorgehoben hätte.

Umso interessanter wirken einige Werbekampagnen im Ausland:
Nicht nur die sehr spezielle und auf den dortigen Markt und den Santana als neues "Carro Nacional" zugeschnittene Werbung in Brasilien, sondern auch Werbekampagnen im europäischen Ausland sprachen eine andere Sprache als in Deutschland...

Ungeniert werden hier Fahr- und Motorleistungen hervorgehoben und der Wagen nicht nur als Reiselimousine, sondern auch als Statussymbol in Szene gesetzt.

Dynamik, Leistung, Status: Anzeigen in Frankreich und U.K.