- mein GX CKD.

Nach einem Aufwärtstrend in den Siebzigern, hauptsächlich als Folge der boomenden Ölindustrie, sah es Anfang der Achtziger bei Volkswagen of Nigeria, einer Produktionsgesellschaft mit 40% Beteiligung der Volkswagen AG, nicht mehr so gut aus: Beständig sinkende Stückzahlen als Resultat schwacher Nachfrage im lokalen Markt spiegelten den wirtschaftlichen Abstieg des Landes wieder.

Vor diesem Hintergrund entschied man sich, die bis dahin weitgehend durch Fertigung brasilianischer Versionen von Käfer, Igala und Passat 1 geprägte Produktion in Lagos mit einem neuen "Top of the Line" Modell zu ergänzen: Der Santana als neues "Weltauto" von Volkswagen wurde zur CKD-Montage in Einzelteilen von Deutschland nach Nigeria verschifft und dort montiert. Die Ausstattung wurde dabei den Erfordernissen vor Ort angepasst und auf komplexe Technik weitestgehend verzichtet - ein Vergaser mit Startautomatic war bei Temperaturen stets oberhalb von 15-20°C ebenso wenig nötig wie durch eine ZV stets geöffnete Türen und Kofferraum in einem Land mit erhöhter Kriminalitätsrate. 1984 stieg nach der Einführung der CKD-Sätze im zweiten Halbjahr die Anzahl der in Nigeria produzierten Volkswagen deutlich, am Ende des Jahres konnte man auf einen Anstieg der Produktion um über 30% zurückblicken, die Gesellschaft erwirtschaftete erstmals seit 1979 wieder ein positives Ergebnis. Nur zwei Jahre später sah alles wieder schlechter aus...

Nur selten wird eine runde Produktionszahl im niedrigsten dreistelligen Bereich so ausführlich mit Foto gewürdigt - ein Ausweis der sehr speziellen Situation bei Volkswagen of Nigeria.

Im Hintergrund eine Reihe von aus brasilianischen CKD-Sätzen montierten Passat Typ 32. Während dieses Modell in Deutschland längst durch den Passat Typ 32b ersetzt worden war, wurde es in Brasilien - und auch in Nigeria - noch regulär und parallel zum Santana produziert und angeboten.

Der damalige Werkleiter der Volkswagen of Nigeria, Herr N., übernahm im August 1984 vor Ort seinen neuen Dienstwagen, einen der ersten in Lagos montierten VW Santana. Ein englischsprachiges Serviceheft brasilianischen Ursprungs - Erbe der in Nigeria gefertigten Modelle brasilianischen Ursprungs - wurde gestempelt und begleitete den Wagen zusammen mit der englischsprachigen Bedienungsanleitung, die dem CKD-Satz aus Deutschland mitgeschickt worden war.

Schon 1985 brachte Familie N. den Wagen mit nach Deutschland zurück - er sollte Ihnen in der Heimat eine Erinnerung an die Zeit in Westafrika sein. Der Santana bekam seine erste Inspektion in der Kundendienstwerkstatt in Wolfsburg, wurde für den deutschen Straßenverkehr umgerüstet (so erhielt er z.B. hintere Gurte), und in der Folge diente er als Familienauto im Raum Köln - interessanterweise unter Einhaltung der für den 1,8L-Motor niemals gültigen Ölwechselintervalle von 7.500km, die penibel dokumentiert wurden.

Der Wagen wurde älter, fraß Kilometer, wurde nach einem Frontschaden wieder repariert, und trotz einer umfangreichen Totalsanierung nagte schließlich wieder der Zahn der Zeit an dem Santana. Im Sommer 2012, sein Erstbesitzer war inzwischen verstorben, entschloss sich der Sohn von Herrn N., den Wagen zu verkaufen. Eine Kontaktaufnahme mit dem Santanazentrum Braunschweig verlief allerdings zunächst erfolglos, ein Kauf kam nicht zustande. Der Wagen wurde schließlich an eine Autowerkstatt im Bereich des Mittelrheins verkauft, die ihn allerdings lediglich als Teileträger verwendete, um den durch einen Unfall beschädigten Santana eines Kunden instandzusetzen. Seiner Scheinwerfer, Blinker, Kühlergrill, eines Kotflügels und der Motorhaube beraubt stand der "Afrikaner" auf dem Hof und war für die Verschrottung vorgesehen. Dazu kam es nicht, jemand erkannte die Besonderheit des Fahrzeugs und kaufte ihn.

Schließlich bot im Herbst 2013 eine Autowerkstatt in der Nähe von St. Goar das Auto zur Versteigerung im Internet an. Um einen möglichst positiven Eindruck auf den Fotos zu erwecken, erfolgte eine provisorische Komplettierung des Wagens mit Teilen eines topasgrünen Unfall-Santana LX - vermutlich eines Wildschadens, mutmasslich desjenigen Fahrzeugs, für das die fehlenden Teile gedacht waren. Eingebaut wurden eingedellter Kotflügel und verbeulte Motorhaube, die lose Stoßstangenhaut wurde mit Kabelbindern auf der an verzogenen Haltern notdürftig montierten Stoßstange gesichert, zerstörte Blinker und Scheinwerfer wurden festgeschraubt bzw. angesteckt... - zusammen mit geschickt gewählten Perspektiven und einer Beschreibung, in der z.B. die bereits einmal aufgearbeiteten Türecken als "rostfrei" herausgestellt wurden, wurde der Santana der geneigten Käuferschaft angeboten.

Aufgrund der im Sommer 2012 an das SZBS übermittelten Fotos lag glücklicherweise eine realistische Einschätzung des Zustands vor, so dass keine "Katze im Sack" gekauft wurde. Interessant war der Wagen aufgrund seiner Historie mit dem außergewöhnlichen Montageort, nicht wegen überragender Erhaltung - angesichts der hohen Laufleistung war hier "das Übliche" zu erwarten.

Der Endpreis lag im Bereich des Vermuteten, die Komplettierung mit gebrauchten Teilen erwies sich als machbar. Nun steht dieser in Europa sicher als Einzelstück zu betrachtende Santana wieder in der Nähe von Wolfsburg - ein interessantes Beispiel einer CKD-Produktion von Volkswagen in den frühen Achtziger Jahren.