& Motorsport...?

Geht das denn überhaupt?

Zugegeben, der Santana ist in seiner Grundkonstellation mit längs vor der Vorderachse eingebautem Motor und Frontantrieb nicht unbedingt das, was man sich unter der idealen Basis für ein Sportgerät vorstellt. Dennoch gibt es jenseits der rechts dargestellten, bildlich recht frei interpretierten Test-Idylle immer wieder Einsätze des Santana im oder im Zusammenhang mit dem Motorsport, die hier kurz beleuchtet werden sollen.

Die Aufzählung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit - sollte jemand einen besseren Kentnisstand besitzen und ergänzen und/oder korrigieren können und wollen, melde er oder sie sich bitte gerne.

Der wohl erste Motorsport-Einsatz des damals dort neu eingeführten Santana erfolgte 1984/1985 in Brasilien, als ein weitgehend serienmäßiger Santana CG als Pace Car in der brasilianischen Tourenwagen-Meisterschaft eingesetzt wurde. Dem Publikum sollten die Vorteile und die Reserven eines modernen Frontantriebsfahrwerks vorgeführt werden. Wo besser wäre dies gegangen als auf einer Rennstrecke...

Der Plan ging auf - die Brasilianer verließen in Scharen ihre heckgetriebenen Ford Del Rey oder Chevrolet Impala für den Santana, das "Carro Nacional" in Brasilien bis 2004, als die Produktion des seit 1990 facegelifteten Modells zum Entsetzen aller Taxifahrer, der Polizei und weiterer Flottenbetreiber eingestellt wurde.

Mittlerweile findet der Santana in Brasilien Verwendung in der Dragracing-Szene, in der strassenzugelassene Santana mit den im Lande äußerst beliebten Turboumauten (die Motoren sind aufgrund der nötigen Alkoholfähigkeit traditionell eher niedrig verdichtet) an den Start gehen. Solange der Gegner ebenfalls Frontantrieb hat, ist es ja egal, ob der Vortrieb verzögert einsetzt...
In China ging man etwas weiter:
Ende der Neunziger Jahre reifte bei Shanghai Volkswagen der Entschluss, in China den Motorsport zu beleben bzw. erst einzuführen, denn abgesehen von einigen unerschrockenen, die mit Privatautos ohne größere Organisation durch die Gegend heizten,

Der Aufbau der "333" war übrigens, wenn man den Aussagen beteiligter Manager folgt, schon von der technischen Seite her alles andere als einfach. Tatsächlich waren z.B. die chinesischen Serienmotoren (Standard-Vierzylinder der 827er-Baureihe mit 1,6 Litern Hubraum) und Getriebe nicht standfest genug, um die notwendigen Leistungssteigerungen für den Rallye-Einsatz zu überleben bzw. erst zu ermöglichen. Auch gab es vor Ort bei SVW damals niemanden, der sich auf die "klassische" Leistungssteigerung verstanden hätte, so daß schließlich Teile aus China zur Überarbeitung nach Deutschland geschickt werden mussten bzw. dort gleich durch Teile aus deutscher Produktion ersetzt wurden.

Dem Santana war im "Team 333" bei seinen innerchinesischen Einsätzen ein eher kurzes, wenngleich gegen die zumeist japanisch motorisierte Konkurrenz recht erfolgreiches Gastspiel beschieden - auf Dauer wollte man aber mit moderneren Fahrzeugen antreten. Dennoch hat er seine Mission erfüllt und den Rallyesport in China als Vorreiter etabliert.

(Rechts: Das Huhn hat überlebt, siehe Bild.)

Die wohl interessanteste und kompromissloseste Motorsportversion entstand jedoch bei Volkswagen of South Africa - und ist eigentlich gar kein Santana, denn das B2 Stufenheck hieß - erstens - am Kap stets "Passat", auch mit der Optik, die in Mittteleuropa noch als Santana verkauft worden war. Zweitens aber ist das Sportgerät der VWSA von der technischen Seite her eher ein Audi...

In der ersten Hälfte der Achtziger begann der Audi Quattro, die internationale Rallyeszene aufzumischen. Das allradgetriebene Geschoss errang Sieg um Sieg und war dabei so schnell und fahrsicher, daß Walter Röhrl, bevor er selbst in seinen eigenen Rallyequattro stieg, den berühmten Spruch prägte, in einen Quattro könne man auch einen dressierten Affen setzen.

Selbstverständlich unterlag auch der Audi Quattro einer Evolution: Auf den Audi Quattro A1 folgte der A2 mit gesteigerter Leistung, der Sportquattro S1 eliminierte den ungünstig langen Radstand, und schließlich bildete der Sportquattro S1 E2 einen Höhepunkt der Rallyegeschichte, der nur noch vom "Pikes Peak" getoppt wurde, bis die "Monster" der damaligen Gruppe B aus Gründen der Sicherheit für Fahrer und Zuschauer verboten wurden - unvergessliche Zeiten, in denen fern von Wolfsburg aufgrund lokaler Initiative ein absolutes Einzelstück entstand:

Der Gruppe-B-Passat Stufenheck.

Dieser südafrikanische Passat Syncro verdankte sein Entstehen mehr oder weniger direkt der fortschreitenden Technik bei den Quattros: Während in der Rallye-Weltmeisterschaft die Marke Volkswagen mit dem Golf II vertreten war und somit sichergestellt war, daß Audi und VW in getrennten Leistungsklassen antraten, lagen die Dinge bei der nationalen Meisterschaft in Südafrika anders: Hier bot sich die (im wörtlichen Sinne günstige) Chance, mittels "alter", durch die Evolution überholter Rallye-Quattro- Komponenten den aboluten Über-Passat auf die Räder zu stellen.
Der Audi Quattro, das weltberühmte Sportgerät, bzw. seine ursprüngliche Basis, der Audi 80 Typ 81, und der VW Santana und Passat B2 sind näher verwandt, als man ihnen auf den ersten Blick ansieht. Tatsächlich ist die Antriebstechnik im Bereich Motor / Getriebe im Prinzip austauschbar, erst ab der Spritzwand werden die Unterschiede größer, und die Hinterachse ist schließlich völlig verschieden, sowohl bei den frontgetriebenen, als auch bei den Allrad-Versionen. Mit einigen Anpassungen ist jedoch vieles möglich...

Eine südafrikanische Karosserie, zu erkennen an in Fahrrichtung rechtsangeschlagenen Scheibenwischern, wurde mit einem deutschen Quattro-Fahrgestellt mit Linkslenkung verheiratet, so dass quasi ein "Spiegelbild" eines für den englischen Markt in Deutschland produzierten Modells entstand - dort sitzt der Fahrer rechts, hat aber die Wischeranordnung der Linkslenker.

"I remember the car was built using Audi quattro A1 rally car mechanicals. It was driven by Nic de Waal, an excellent rally driver from Cape Town...

I also remember that the car was very fast but it had a seemingly incurable misfire throughout its competitive life. Even so, it did not seem to make much difference to the performance. Nic drove it in spectacular style and although it was not an outright match for multiple-champion Sarel van der Merwe's Audi and also the Audi of Geoff Mortimer, it was certainly good for a third or so on the podium."

(J. Wagner, 2009)

Nic de Waal, der einzige Fahrer dieses Geschosses, stieg im Februar 1987 das erste Mal in das Cockpit des Passat, neben sich seinen Copiloten Spotti Woodhead. Gleich auf dieser ersten Rallye, der "Tour de Valvoline", lag das Team in der vierten Etappe eine Sekunde vor dem Audi Quattro S1 des südafrikanischen Lokalmatadors "Super-Sarel" van der Merwe, als die Hydraulikpumpe der Servolenkung und die daran geflanschte Wasserpumpe des Passat den Dienst einstellten. Damit war die Rallye für de Waal / Woodhead gelaufen...

Im April 1987, vor dem Start der "International Nissan Rallye", wurde Nic de Waal von der Motorpresse am Kap aufgrund seiner Leistungen mit dem Passat Syncro bereits als Nachfolger für Sarel van der Merwe gehandelt.

"Alles Quattro oder was?"

Nichts ist mehr von der Serie zu erkennen - nicht einmal die Türfangbänder hat man dem hochgezüchteten Sporgerät gelassen. Das Armaturenbrett und die veloursbezogenen Schalensitze entstammen einem Rallye-Quattro, viel mehr ist nicht vorhanden. Das Serienlenkrad aus dem Golf II (in Südafrika "Jumbo Golf" zur Differenzierung des weiter produzierten Golf 1 "Citi") schien aufgrund des geringeren Durchmessers offenbar besser geeignet als das echte Lenkrad aus dem Passat. Ein großes Bremspedal zum Linksbremsen, das Schaltgestänge mit extra langem Schalthebel verläuft oberhalb des Mitteltunnels, als Blinker ist die längere Version des Citi verbaut... - ein erstaunlich nüchterner Arbeitsplatz.

Im Mai 1988 konnte Nic de Waal, nunmehr mit Copilot Guy Hodgson, mit dem Passat noch einmal groß auftrumpfen: Nach 1132km schoss der Passat als hinter Sarel van der Merwe mit seinem S1 (Klasse A) als Zweiter im Gesamtklassement von 61 Fahrzeugen und als Sieger der Gruppe B über die Ziellinie der WesBank Rallye, obwohl allerlei Schläuche Probleme bereiteten und der Wagen nicht so problemlos war, wie man es sich gewünscht hätte...
Spoiler, ohne ABE...

Am Heck des Wagens steht einfach "Passat CLi" - eine eindeutige Untertreibung. Die Quattro-Technik unter dem Blech versorgte den Wagen mit gut 340 PS, der Ölkühler im Heck für die Trockensumpfschmierung sorgte für Einhaltung der Betriebstemperaturen unter afrikanischen Bedingungen.

Aufgenietete Kotflügelverbreiterungen und große Schmutzlappen halten den grösten Dreck vom Wagen fern.

"Southern Sun" ist eine große südafrikanische Hotelkette, die anderen Sponsoren stammen aus dem Automotive-Bereich.

1988 war die letzte Saison für die schnelle Limousine, die Produktion des Passat B2 in Südafrika wurde eingestellt und fortan der Passat 35i mit Quermotor, eine für den Rallyesport völlig ungeeignete Konstruktion, aus dem Emdener Stammwerk importiert. Der Rallyesport in Südafrika wurde danach ausschließlich mit Golf 1 und 2 fortgesetzt und ist bis heute ein wichtiges Aushängeschild für Volkswagen auf South Africa.

Nic de Waal setzte nach seinem Einsatz im Passat seine Karriere im Rallyesport nicht länger fort, er blieb in seinem Hauptberuf als Yachtkonstrukteur und lebt heute in Neuseeland, wo er durch den ein oder anderen gebrauchten Santana aus Japan von Zeit zu Zeit bestimmt an seine wilden Zeiten im südafrikanischen Busch erinnert wird, als ein einsamer Passat Stufenheck zur Plage der Quattros wurde...

Heute befindet sich dieser wohl stärkste offiziell vom Hersteller angefertigte B2 im Museumsbestand in Südafrika. Die Bilder hat mir freundlicherweise der "AutoPavillion", die in Port Elisabeth ansässige Sammlung klassischer Fahrzeuge im Besitz der Volkswagen South Africa, zur Verfügung gestellt. Vielen Dank an Johan Wagner!

Diese Seite entspricht noch nicht dem endgültigen Stand meiner Nachforschungen zum Thema Rallye Passat Syncro.

Weitere Aktualisierungen folgen, nachdem die Aussagen der Kontakte südliche des Äquators eingetroffen sind und aufbereitet wurden.

TG