Wie er wurde, wie er ist.

Nach der Einstellung des luftgekühlten VW 412 und des mit dem Kauf der NSU übernommenen K70 war der Passat ab 1975 das größte PKW-Modell bei VW. Als Topmodell der neuen, wassergekühlten VW-Generation sorgte dieser praktische, robuste und technisch weitgehend anspruchslose Wagen auf Basis des Audi 80 ab Mitte der Siebziger Jahre einerseits für gute Verkaufszahlen.

Andererseits wurde in Wolfsburg schnell festgestellt, daß sich bestimmte Märkte mit einem Fließheckmodell oder dem Variant nicht voll ausschöpfen ließen. Die Rede ist hier von den traditionellen Weltmärkten, in denen ein Auto stilistisch aus drei Teilen bestehen muß: Motorhaube, Fahrgastzelle, Kofferraum. In diesen Märkten gilt ein Auto erst dann als richtiges Auto, wenn es ein bißchen so aussieht wie das Auto des Präsidenten, und bisher hatte kaum ein Präsident - mit Ausnahme von z.B. Frankreich - regulär ein Schrägheckfahrzeug als Staatskarosse. Passat Schrägheck oder gar der Variant, der die Bezeichnung "Nutzfahrzeug" formal geradezu provozierte, riefen somit nicht die richtigen Assoziationen hervor, um Teile der Kundschaft anzusprechen.

Einmal mehr eine Gelegenheit, die Frage zu stellen: "Was wäre, wenn..."

Der Beweis, daß der Passat ursprünglich schon 1974 als engerer Verwandter seines kleinen Bruders, des Golf, geplant war, parkt heute im AutoMuseum in Wolfsburg. Unter der Haube des EA 272 schlägt ein 2,0 Liter großes, von einem Stromberg-Vergaser beatmetes Quermotor-Herz. Die Form zeigt klare Verwandtschaft zum Golf 1.

Das Heck des EA 272, dessen Design wie bereits beim Golf in Zusammenarbeit der Wolfsburger Stylisten mit dem Italiener Giorgio Giugiaro entstand, wurde im Rahmen der Kosteneinsparung auf den deutlich kleineren Audi 80 verpflanzt...

... und auch dessen Längsmotor zog unter der vorderen Haube ein statt einer geplanten "großen" Quermotorgeneration. Der bereits im EA 272 sehr große Innenraum mit flachem Mitteltunnel konnte beim Passat 32 nicht realisiert werden.

Da der Passat B1 nach der Einstellung der ursprünglich vorgesehenen Wolfsburger Entwicklung EA 272 also "nur" ein Audi 80 mit Schrägheck war, wäre ein Ausweg aus diesem Dilemma das sogenannte Badge-Engineering gewesen, also ein Audi 80 mit VW-Emblemen, als "Passat" beschriftet. Diese Karosserieform war für den Passat B1 ursprünglich nicht gewählt worden, da sie vielfach den Audi 80 kannibalisiert hätte. Außerdem waren die Volkswagen-Käufer jener Tage in vielen etablierten Märkten gewohnt, daß ein VW die Fließheckform besaß - ein Erbe des omnipräsenten VW Käfer, auch des 1600 TL und des 411/412. Die Stufenheckform war nach dem Auslaufen des VW K70, der u.a. wegen seiner technischen Inkompatibilität zu vielen VW als "geborener NSU" in vielen Märkten weltweit auch gar nicht erst angeboten worden war, innerhalb des Konzerns für Audi vorgesehen.
4 Türen, 11 Jahre zu spät, so ätzten Spötter 1968 über die Vorstellung von VW, wie eine Limousine der oberen Mittelklasse auszusehen hatte. Der VW 411, später 412, verkaufte sich in sechs Jahren zwar etwa 350.000 mal, doch das Image blieb hausbacken bis zur Einstellung 1974. Der nur zwei Jahre später vorgestellte VW K70 war deutlich moderner, allerdings keine VW-Konstruktion, sondern nur inklusive eines komplett neuen Werks in Salzgitter, in dem bis 1975 auch Passat gebaut wurden, mit dem Kauf der NSU an VW gefallen. 1974 wurde er ersatzlos gestrichen.
Allerdings wäre im Rahmen einer Expansion in wenig oder gar nicht erschlossene Märkte das Einführen der Marke "Audi" dort, wo bisher nur "Volkswagen" präsent war - Mitte der Siebziger vielfach noch mit dem Käfer als Grundstein des Erfolges und einzigem Modell in vielen Märkten -, oft zu aufwendig, riskant und manchmal sogar fast unmöglich gewesen.
Vielleicht ein Passat Stufenheck...? Es war schon zu spät - mit dem Erscheinen des Nachfolgers sah der erste Audi 80 alt aus...
Der Audi 80 der ersten Serie, der Typ 82, debütierte außerdem bereits 1972, und 1978 folgte der Nachfolger Typ 81. Für eine Übernahme des alten Audi 80 als Passat war es somit bei Erkennen der Schwierigkeiten des Passat Schrägheck und Variant auf dem Weltmarkt letztlich zu spät: Sobald das neue Modell "Passat mit Stufenheck" in den Märkten eingeführt gewesen wäre, wäre es auch schon technologisch veraltet gewesen.

Zwar bemühte sich Volkswagen ab 1977, beim Facelift des Passat (das sogenannte "Zwischenmodell") die stilistische Verbindung zu Audi aufzulösen. Die Einführung einer Stufenhecklimousine auf der schon fünf Jahre alten Basiskonstruktion lohnte jedoch nicht mehr. Somit war klar, daß der Passat B1 oder auch "Typ 32/33" nicht mehr als Stufenheck erscheinen würde.

Für den B2 der Marke Volkswagen, der von außen keine Assoziation zur Marke Audi mehr erkennen lassen sollte (und dies bis auf Türgriffe und Felgen später auch nie tat), mußte von Anfang an ein Stufenheck geplant werden.

Da der Name "Passat" inzwischen in den meisten Weltmärkten klar mit der Schrägheck- und Variant-Form verknüpft war, wurde ferner festgelegt, daß die in der Wahrnehmung repräsentativere Form des B2, das Stufenheck, bis auf eine Ausnahme auch unter einem anderen Namen vertrieben werden sollte. Dies war die Geburtsstunde des Projektes "Korsar" - gleich einem tollkühnen Piraten war die neue Stufenheck-Limousine dazu ausersehen, weltweit der Konkurrenz Marktanteile im lukrativen Markt der Mittelklasse und oberen Mittelklasse abzujagen...

Ab 1980 geisterte neben dem Passat B2 oder auch "Typ 32b" der "Korsar" durch die Gazetten der Automobilpresse, Mitte 1981 war durchgesickert, daß ein anderer Name für das künftige Volkswagen Spitzenmodell gewählt würde, und im September 1981 stand der neue Hoffnungsträger der Volkswagenwerk AG blankpoliert auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt:

Der VW Santana.

Die Wahrnehmung des neuen VW der oberen Mittelklasse unterschied sich massiv im Heimatmarkt und in diversen Exportmärkten. Das sollte Folgen für die weitere Entwicklung des Passat, auch Jahre nach der Zeit eines Santana, haben...
Exkurs: Das Erbe des Ahnen

Was aber wurde aus dem EA 272? Mit Leidings kostensparendem Geniestreich der Audi-Ableitung des Passat B1 wanderte er in die Abstellkammer, die meisten Prototypen wurden verschrottet. Es wurde still um ihn...

... doch er hat im Prinzip überlebt: 1988 wurde der Passat B3 (Typ 35i) erstmals mit Quermotor, als technisch enger Verwandter des Golf II, vorgestellt. Die Verwandtschaft des 35i zu Audi war, abgesehen von grundsätzlicher Motortechnik, fast nicht meßbar. Wegen des Erfolges des Santana in Exportmärkten wurde dieser Passat von Anfang an als Stufenheck verkauft, eine fertig entwickelte Schrägheckform nicht mehr angeboten.

Mit dem 35i begann die lange Geschichte der Motordrehungen in der Passat-Reihe - oder hatte sie doch schon 1972 begonnen? In der Folge hieß es "Mal längs, mal quer":

1997 wurde der Passat B5 (Typ 3B), als technisch enger Verwandter des ersten Audi A4, wieder mit Längsmotor entwickelt. Es handelte sich um die Plattformstrategie des Ferdinand Piëch, Kosten wurden gespart.

2005 wurde der Passat B6 vorgestellt, der selbstverständlich einen Quermotor trug, denn diese Lösung war günstiger und paßte besser in die Strategie, Golf und Passat zukünftig als technisch enge Verwandte zu entwickeln.

Es werden noch Tipps für die Motorausrichtung der nächsten komplett neu entwickelten Passat-Generation angenommen...