Der zweite
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Prolog.

Nach dem Verlust meines ersten Santana LX kaufte ich zunächst den Passat Trophy, dann, nachdem ich für mein Wohlbefinden unbedingt wieder einen Santana benötigte, nach einem halben Jahr ohne Santana zusätzlich meinen lhasagrünen GX5.

Als ich den Fünfzylinder erst ein paar Monate hatte, fuhr ich im Sommer 2000 durch Zufall in der Nähe eines VW-Händlers in der elterlichen Heimat an einem sand metallic-farbenen Santana LX vorbei... - das Auto erinnerte mich sehr an mein erstes.

Zur Erinnerung bzw. zum Vergleich des "alten", dem der an der Straße stehende Wagen so ähnlich war, mit meinem "neuen" GX5 parkte ich dahinter und machte zwei Fotos - damals natürlich noch ohne Digitalkamera, ganz altmodisch auf Film.

Denn auch wenn ich schon keinen goldenen Santana LX mehr haben würde, dann wollte ich doch wenigstens dieses schöne Exemplar fotografisch festhalten - die Kombination "LX + sand met." blieb erstrebenswert...

Szenenwechsel - Die Geschichte meines zweiten Santana LX.

Der Erstbesitzer, Herr Oskar H. aus Wennigsen am Deister, Region Hannover, kaufte den Santana im Juni 1983. Herr H., geboren 1923, hatte sich nun "noch einmal" einen neuen Wagen gekauft - offenbar eine Bestellung und kein Lagerfahrzeug, denn zwischen Produktion und Zulassung auf das Kennzeichen "H-PN 35" vergingen keine drei Wochen. (Das hintere Kennzeichen wurde in extrakurzer Ausführung angefertigt, es ist wie das vordere noch heute original erhalten.)

Herr H. hatte sich zwar für das größte verfügbare Modell aus dem damaligen Volkswagenwerk entschieden, war jedoch darüber hinaus sehr sparsam : Kleinste Ausstattung, kleinster Motor. Das Auto erhielt lediglich zwei Extras, zur aufpreispflichtigen Metallic-Lackierung wurde nur das Radio "Emden" addiert - immerhin war dies nicht das günstigste Radio, es gibt noch zwei mit niedrigerem Preis. Insgesamt mußte Herr H. für sein neues Goldstück weniger als 20.000 DM bezahlen, was beim Santana nur unter starker Zurückhaltung in der Aufpreisliste möglich war. Der Begriff "Kassenmodell" ist daher für das Modelljahr 1983, bevor im Sommer der billige CX kam, durchaus angebracht.

Erst nach 15 Jahren, 1998, verkaufte Herr H. den Wagen - ob er aus Altersgründen das Fahren aufgeben mußte, sich doch "noch einmal" einen neueren Wagen kaufte oder ihm der Wagen wegen der Kfz-Steuernovelle für Fahrzeuge mit nachgerüstetem ungeregeltem Kat zu teuer wurde, ist leider nicht klar.

Der Wagen wurde verkauft an Herrn Stephan B. aus dem benachbarten Springe, der ihn unter gleichem Kennzeichen ein Jahr fuhr, dann übernahm sein Vater Otto den Wagen - zumindest wurde der Wagen auf diesen und zurück nach Wennigsen umgemeldet.

Nach einem weiteren Jahr wurde der Wagen nach Hannover in die Innenstadt an Herrn Robert A. verkauft, er erhielt nach der Logik des damaligen Landkreises Hannover eine andere Buchstabenkombination, um das alte "Landkreis-Kennzeichen" gegen eines von "Hannover Stadt" zu tauschen - "H-TP 531" lautete das neue Kennzeichen.

Auch der jetzt vierte Besitzer, Herr A., fuhr den Wagen nicht allzulange: In einer Kleinanzeige in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung bot er ihn schließlich zum Verkauf an.
Herr F., Assessor jur. aus Isernhagen bei Hannover, kaufte den Wagen. Er war unter anderem im Studium VW gefahren und hatte vom Polo 1 bis zum Golf VR6 schon vieles ausprobiert, bevor es ihn aus familiären Gründen zu einer Marke trieb, die einen weiß-blauen Propeller im Logo führt. Mit dem Kauf des Santana knüpfte er an Erinnerungen aus seiner Studienzeit an und schuf sich ein Kontrastprogramm zu seinen bayerischen Oldtimern.

Der Santana wurde zunächst regulär angemeldet, schließlich jedoch ein Oldtimer-Gutachten angefertigt und der Wagen nurmehr per Sammlerkennzeichen bewegt - und das sehr sporadisch, wie das lückenlos geführte Tankbuch beweist.

Im Sommer 2008 wurde schließlich meine Aufmerksamkeit auf den Wagen gelenkt: Ein "Spion" hatte den Santana bei einem Urlaubs-Check auf der Hebebühne des Autohauses Isernhagen gesehen und dankenswerterweise gleich fotografiert.

Interesse am Auto kam auf: Der Santana auf den Fotos entsprach so sehr meinem ersten LX...

Ein Kontakt mit dem Besitzer konnte leider (oder im Nachhinein: glücklicherweise...?) nicht erfolgen, der Wagen "verschwand" wieder.

Im Februar 2009, die Abwrackprämie war gerade eingeführt, tauchte ein goldener Santana in einem Gebrauchtwagenportal im Internet auf. Der Preis lag knapp über der Abwrackprämie, die Anzeige versehen mit der "Drohung", sie gelte "bis März, dann erfolgt Verschrottung". Auch wenn es schmerzte: Zu diesem Preis würde ich den Wagen nicht kaufen - und sonst ganz sicher auch niemand, das war immerhin klar. Der Preis senkte sich in nächsten Monaten nur unerheblich, die Verschrottung wurde von Monat zu Monat verschoben...

Parallel wurden Überlegungen angestellt: Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit handelte es sich um den 2008 in Isernhagen gesichteten LX mit 07er Kennzeichen. Auch auf den leider nicht wirklich aussagekräftigen Verkaufsfotos konnte man mit einiger Phantasie eine leichte Rotfärbung am Rand der retuschierten Nummernschilder erkennen. In diesem Falle, das stand fest, war die Drohung mit der Abwrackprämie eine nutzlose - Fahrzeuge mit rotem Sammlerkennzeichen waren nicht prämienberechtigt. Ein Glück für diesen Santana!

Schließlich änderte sich der Text in der dauernd modifizierten Anzeige: Aus "sonst erfolgt Verschrottung" wurde "sonst erfolgt Versteigerung": Eine Oldtimerauktion in Hannover. Verflixt.

Am Abend vorher rief ich endlich den Verkäufer an: Lohnte es, am nächsten Tag zum Messegelände zu fahren...? Dem Telefonat nach lohnte es nicht - zum vermutlichen Mindestpreis würde sich wohl kein Käufer finden. Wenn er nach der Auktion nicht verkauft sei, so vereinbarten wir, würde ich ihn endlich besichtigen...

Der Wagen wurde auf der Auktion nicht verkauft, woraufhin ein Besuch in Isernhagen anberaumt wurde. Nach stundenlangen Verhandlungen war spätabends der Kauf perfekt und der Vertrag unterzeichnet... - erst kurz zuvor war übrigens klar geworden, daß die Drohung mit der Abwrackprämie nicht ganz von der Hand zu weisen war, denn dank Falschaussage einer Behördenvertreterin war Herr F. bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, daß das Auto auch mit 07 prämienberechtigt sei! Sicher, er hatte nicht vor, den Wagen wirklich zu verschrotten, dennoch: Das hätte ins Auge gehen können. (An dieser Stelle wäre es durchaus lustig, von Leuten zu hören, die erhaltenswerte Fahrzeuge abgewrackt haben, welche im Nachhinein nicht prämienberechtigt waren. Natürlich nur Fremdfabrikate - es soll schließlich lustig bleiben.)

Schon am nächsten Tag erfolgte die Abholung... - und jetzt habe ich wieder einen Santana, der meinem ersten Auto gleicht wie ein Ei dem anderen - nun knüpfe ich auch an meine Studienzeit an, zumindest an den Anfang.

Der Erste hatte aber ab Werk auch eine Nebelschlußleuchte - diese fehlt dem "neuen". Allerdings schien beim Blick von außen das NSL-Feld in der linken Heckleuchte deutlich abweichend von dem der rechten - sollte da eventuell...?

Ein Blink in das Innere der Leuchte bestätigte: Tatsächlich hat die linke Rückleuchte einen Metallreflektor für eine Nebelschlußleuchte. Entweder wurde hier also schon im Werk ein falsches Leuchtengehäuse verbaut, oder irgendwann später war ein neues Rücklicht nötig. Das bleibt natürlich so - ich konnte mir aber nicht verkneifen, eine sinnlose Glühbirne einzusetzen, so daß es von außen für den Spezialisten "echt" wirkt.

Der Schalter und die Funktionalität der Nebelschlußleuchte wird aber nicht nachgerüstet - der Wagen wird wohl nie bei Nebel fahren, wozu der Aufwand.Auch werde ich sicher nicht das originale Radio "Emden" herausreißen, um das Blaupunkt-Radio einzubauen, das vom ersten LX übrigblieb. Erstens ist das Auto schließlich keine Kopie meines ersten Wagens, sondern ein anderer Santana mit eigener Geschichte. Zweitens war im ersten sowieso nicht immer das gleiche Radio verbaut.

Und drittens war mein erster LX aus heutiger Sicht sowieso völlig verbastelt. Das werde ich dem "neuen" natürlich ersparen...

Epilog...?

Im Dezember 2009 blätterte ich in einem alten Fotoalbum, wo ich Fotos meines GX5 entdeckte, der hinter einem sand metallic-farbenen Santana parkte. Noch vor der näheren Betrachtung der Bilder mit dem fremden Santana LX fiel mir sogar sein Kennzeichen wieder ein, und auf dem Foto wurde meine Erinnerung bestätigt... - "H-PN 35". Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das erste Zusammentreffen mit meinem zweiten Santana LX fand tatsächlich nicht erst im Sommer 2009 statt, sondern bereits neun Jahre vorher. Sogar die ersten Kennzeichen vom Foto ganz oben lagen bei der Übernahme durch mich noch im Kofferraum...

Die Welt ist klein... - und manche Dinge scheinen doch vorherbestimmt.