Rettet den
!

"Daß es soweit ist, entdeckt man an Zeichen, die Unbeteiligten verborgen bleiben. Völlig Fremde beginnen, einander zu grüßen - ein beiläufiges Handheben beim Überholen, ein komplizenhaftes Nicken an der Ampel. Die Verschwörung beginnt, wenn der Kreis der Aktiven kleiner wird. Dann weißt Du, Dein Auto stirbt aus. "Santana? Das ist doch dieser Jeep von Suzuki?" "Santana - Mensch, die sind doch weg, davon gibt´s doch keine mehr!" "Santana, das war doch dieser häßliche VW, den Onkel Rüdiger sich ´82 gekauft hat und für den wir uns bei offiziellen Familienanlässen immer so geschämt haben..." Onkel Rüdiger war Buchhändler, hat inzwischen seinen Laden aufgegeben und sich im Bergischen zur Ruhe gesetzt. Der Santana ist in der Versenkung verschwunden.

Zu Recht? Wir sahen ihn damals als nah ans Abscheuliche grenzenden Versuch von VW, sich nach oben zu verbessern; Hosenträger- und Geranien-Image ab Werk fest eingebaut, wie bei einem anderen Hersteller einst die Vorfahrt. Wie schnell er heilsamen Vergessens anheim fiel, zeigt sich heute, wenn ich jemandem die Mitfahrt anbiete: Zuerst der Blick ungläubigen Erkennens, dann der säuerlich verzogene Mund und der Griff zum Krawattenknoten. "Du, mir ist da eben noch was eingefallen, fahr´ schon mal vor..." In so etwas wird man nicht gerne gesehen. Unverständlich. Heute gefällt er mir. Und nicht erst, seit ich ein ums andere Mal davor gestanden habe, auf der Suche nach dem, was ihn zum häßlichen Entlein stempelt. Ist es das etwas stelzbeinige Heck, das die breite Leuchten- und Kennzeichenleiste viel zu hoch reckt? Oder einfach nur das spießige Anti-Flair, das ihm anhaftet, weil er sein kantiges, althergebrachtes Stufenheck so trotzig zeigte, während alle Welt diese ach so praktischen Heckklappen haben mußte? Als es mit ihm zu Ende ging, versuchte VW noch die Eingliederung - einige fahren deshalb als Passat herum, des eigenen Namens und Gesichts verlustig gegangen. Aber es half nichts.

Mir gefällt er, denn - ja, er ist aus einem Guß. Sehen Sie ruhig mal hin, wenn Sie einem begegnen. Zur Zeit werden die letzten Exemplare gerade zugrunde gefahren. In drei Jahren werden wir in alten Zeitschriften blättern und uns mit der Bemerkung anstoßen "Schau mal, Onkel Rüdigers Mühle". Das war´s dann. Dabei sind es nicht selten die blechgewordenen Fehltritte, die posthum zu Kult-Mobilen werden.

Rettet den Santana!"

Auszug aus: Oldtimer Praxis 5/1997