- ein Golf Leben.

Prolog.

Das erste Auto, an das ich mich erinnern kann, war ein miamiblauer Golf LS, Baujahr 1976. Mit dem Golf bin ich aufgewachsen, somit auch ein echtes Mitglied der "Generation Golf", wie Florian Illies sie später definieren würde.

Die Perspektive der Rückbank dieses Golf 1 bildet meine ersten Erinnerungen an das Autofahren: Der Geruch der Sitze, der Bezugsstoff meines Kindersitzes, der mit Kunstleder bezogene, im Sommer klebrige Fangtisch, der mit mir zusammen angeschnallt wurde, Startschwierigkeiten bei Feuchtigkeit und ein Schreckerlebnis mit viel Rauch, als unser alter Tankwart nach dem Ölwechsel den Einfülldeckel nicht wieder zugeschraubt hatte, Pfuschreparaturen als hilfloser Versuch der Bekämpfung des allgegenwärtigen Rostbefalls, und nicht zu vergessen die Beule hinten links...
Das Foto spiegelt den traurigen Moment, als unser "Golfi", nach nur acht Jahren stark verrostet und ein Schatten seiner selbst, die Familie verließ und an einen Studenten verkauft wurde. Es müßte doch möglich sein, trotz eines neuen Wagens den alten einfach zu behalten...? Meine Eltern waren jedoch der merkwürdigen Überzeugung, ein Auto reiche für unsere Familie, bei zwei Führerscheinen...
Es folgte ein marsroter Golf II CL - ein sehr frühes Modell, das meine Eltern 1984 als Jahreswagen kauften. (Vor der Übernahme fuhren wir einen Leihwagen des damaligen V.A.G.-Partners, einen Santana - das hatte prägende Wirkung...)

Die Familie hielt diesem roten Golf 15 Jahre lang die Treue, und der Tachostand zeigte fast 200.000km, als er verkauft wurde. Damals fuhr ich noch
meinen ersten Santana
und meinte, wir sollten den Golf eigentlich behalten, denn ich hätte doch nur ein Auto... - man zeigte wenig Verständnis, und meine Laune war ziemlich genau die gleiche wie 15 Jahre zuvor - siehe Foto.

Das war´s dann erstmal für längere Zeit mit dem Golf II und mir... - aber sieben Jahre später wurde doch an alte Zeiten angeknüpft.

Die Geschichte unseres Golf II Fire & Ice.

Erstmalig zugelassen wurde der Golf im Dezember 1990 auf einen Volkswagen Werksangehörigen in Kassel, nach einem Jahr dann - vermutlich mit Gewinn, damals war das normal - weiterverkauft. Auch der nächste Besitzer fuhr den Wagen nicht allzu lange und verkaufte ihn nach ein paar Jahren wieder.

Als nächstes wurde der Golf weitergereicht an eine junge Dame aus der Umgebung von Wolfsburg, der Wagen kehrte sozusagen an seine Geburtsstätte zurück.

Die neue Besitzerin bewegte den Fire & Ice quer durch Deutschland, mit dem Gifhorner Kennzeichen fuhr er durch Berlin, Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf... - Höhepunkt der vielen Reparaturrechnungen aus den verschiedensten Städten war die durch einen blaublütigen Kundendienstberater ausgestellte Rechnung der hauseigenen Werkstatt eines namhaften Vier-Sterne-Hotels in der deutschen Hauptstadt. Diese letzte Besitzerin vor uns fuhr den Wagen etwa zehn Jahre lang mit Begeisterung. Mehrere Aufbrüche u. Diebstähle von Radios trübten den Spaß nur bedingt, doch als sie beruflich ins Ausland ging, ließ sie den Golf notgedrungen bei ihren Eltern zurück.

Ende 2006 hörten wir im Bekanntenkreis: "Bei uns in der Garage steht noch der Golf II Diesel unserer Tochter, der soll nun weg..." - da wir natürlich immer grundsätzliches Interesse an alten VW haben, wurde ein Besichtigungstermin vereinbart. In der Garage schlummerte der Fire & Ice. Ein Blick unter die Haube offenbarte den Ladeluftkühler... - oh ja, dieser Golf würde mitgenommen werden!

Anspringen wollte der Wagen nicht, der Anlasser hing. Also wurde er mit dem Passat 3B des Hausherrn aus der Garage gezogen, nach zweimaligem Anlauf auf der 30m langen Garagenzufahrt war der Motor angeschoben... - da der Ölfilter durchgerostet war, folgte ein Ölwechsel in mittlerweile stockfinsterer Nacht und die Fahrt mit roten Nummern und Taschenlampe statt Tachobeleuchtung (Totalausfall) in die Werkstatt zur Anlasserreparatur.

Den Winter über und durch das Frühjahr 2007 hindurch folgte die Reparatur des noch mit gültiger HU ausgestatteten Golfs. Neben der stark verbrauchten Innenausstattung, die einer massiven Aufarbeitung bedurfte, mußte ein leichter Frontschaden behoben werden: Kotflügel, Stoßstange, drei von vier Scheinwerfern, Kühlergrill... - es gab ein bißchen was zu tun. Mechanisch schien der Wagen dagegen auch mit fast 300.000km auf dem Tacho noch absolut gesund.

Nachdem im Sommer 2007 der Santana GX TD den finalen Kopfdichtungsschaden erlitten hatte, war es somit sehr praktisch, den Golf zu haben. Nach dem Einbau eines Oxi-Kats konnte es losgehen, und der Wagen war für uns ca. 60.000km lang ein zuverlässiger Begleiter auf allen Straßen. Doch schließlich kam es, wie es kommen mußte - von Anfang an war klar, daß auch dieser Golf nicht für immer bleiben würde:

2011 wurde er jedoch nicht mehr benötigt, da die Rolle des Alltagsautos aus beruflichen Gründen durch einen Neuwagen eingenommen wurde. Bis zum Herbst war er bei uns, aber noch einmal TÜV und weiteren Unterhalt für ein Auto, das nicht mehr wirklich benötigt würde neben den vielen Santana...?

Das mußte nicht sein. Daher fiel der Entschluß, den seltenen Golf Fire and Ice TD LLK mit über 355.000km an jemanden weiterzureichen, der ihn nicht nur als Alltagsauto nutzen würde, sondern ihm die Pflege zukommen lassen würde, die dem inzwischen 21 Jahre alten "Youngtimer" angemessen ist. Es geschah, was ich noch nie zuvor tat - ein Auto wurde verkauft!

Mittlerweile hat der Fire & Ice eine neue Heimat zwischen Berlin und der Oder gefunden, und auch wenn das ein Grund zur Freude ist, war meine Laune bei der Übergabe des Wagens schon aus traditionellen Gründen ungefähr die gleiche wie 12 bzw. 27 Jahre zuvor...

Bis es vielleicht doch einmal wieder Zeit für einen alten Golf ist, werden erstmal ganz neue Gölfe gefahren, und selbst wenn gerade mal kein Golf vor der Tür steht, ist er irgendwie mit dabei. Unserem Fire and Ice und seinem neuen Besitzer wünschen wir alles Gute!.